
Nur noch 120 Stunden verbleiben. Dann muss sich der Audi RS 7 piloted driving concept beweisen. Vor der Weltöffentlichkeit. Mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 240 Stundenkilometern soll der Technikträger den Hockenheimring auf der Ideallinie umrunden. Ohne Fahrer am Steuer.
Dafür haben die Audi-Entwickler den Technikträger bis aufs Äußerste getestet, auf Tausenden Kilometern die Systeme optimiert. Sogar einen Namen haben die Techniker ihm gegeben. Sie nennen ihn Bobby – an die amerikanische Rennfahrerlegende Robert William „Bobby“ Unser angelehnt. Auch er liebte spektakuläre Fahraktionen, siegte bei Rennen wie dem Pikes Peak International Hill Climb und den 500 Meilen von Indianapolis. Nun will auch Bobby Geschichte schreiben : Als sportlichstes pilotiert fahrendes Auto der Welt. Ein letztes Kräftemessen soll zeigen, ob Bobby bereit für seine erste perfekte Rennrunde vor der Weltöffentlichkeit ist. Der Technikträger tritt an gegen einen Profi, der es wissen muss : Frank Biela. Fünffacher Sieger der 24 Stunden von Le Mans. Deutscher, britischer und französischer Tourenwagenmeister. „Während meiner aktiven Rennkarriere kam ich nie auf die Idee, dass wir in naher Zukunft einen Punkt erreichen, an dem nicht mehr ich den Audi um den Kurs manövriere, sondern der Audi sich selbst“, sagt Biela.

Platzverweis: Frank Biela darf nur auf den Beifahrersitz – ungewohntes Terrain für den ehemaligen Rennfahrer
Umso faszinierter zeigt sich der ehemalige Rennfahrer nach einer pilotierten Probefahrt über die Strecke der Motorsport Arena in Oschersleben – in Höchstgeschwindigkeit : „Ehrlich. Ich bin total geflasht. Normalerweise sitze ich links und habe alles im Griff. Heute blieb mir zunächst der Beifahrersitz. Das System hat die gesamte Steuerung des Autos übernommen. Gas gegeben. Abgebremst. Ich hatte keinerlei Kontrollmöglichkeit. Und das bei 240 Stundenkilometern“, so Biela. Und gesteht : „Es ist total irre, einfach nur dazusitzen, zu fühlen, wie das Auto beschleunigt. Die Mauer kommt immer näher, aber du kannst nichts machen. Cool bleiben, die ganze Zeit denke ich, die Techniker wissen schon, was sie tun. Denn gleich geht das Auto auf die Bremse … jetzt – aber wirklich erst im letzten Moment. Totaler Wahnsinn. Dabei bin ich einiges gewohnt. Ich habe mich gerade vom ersten Schock erholt, als das Auto schon wieder maximal beschleunigt.“
Dass Bobby nicht nur in Sachen Beschleunigung mit der Performance eines Profis wie Biela mithalten kann, davon ist Audi-Ingenieur und Projektleiter Peter Bergmiller überzeugt : „In puncto Geschwindigkeit, Präzision und Fahrzeugbeherrschung sind wir mit dem Audi RS 7 piloted driving concept auf dem Niveau der besten Rennfahrer.“ Ein Beweis, der in Oschersleben erbracht werden soll : Rennlegende Frank Biela tritt an gegen Renninnovator Bobby.
Noch immer beeindruckt von Bobbys Performance, nimmt Biela in einem vergleichbaren Audi RS 7 Sportback Platz – nun wieder links am Steuer. Jetzt sind seine Bestleistungen gefragt. Mit Vollgas startet er durch, beschleunigt bis aufs Äußerste. Erst im letzten Moment bremst er ab, nimmt die Kurve auf optimaler Linie, beschleunigt maximal auf der darauffolgenden Geraden. In der dritten Kurve aber bricht das Auto leicht aus, weicht knapp einen Meter von der Ideallinie ab. Trotz schneller Reaktion geht ihm wertvolle Zeit bis zum Gegenlenken verloren. Nun bedarf es einiger Korrekturen des Profis, bis der 412 kW (560 PS) starke Sportback wieder auf der Ideallinie fährt.
„Bobby hingegen spürt jede Fahrzeugbewegung im Millisekundenbereich und kann die Stärke der notwendigen Reaktion sofort richtig ermitteln“, erklärt Bergmiller. „Die Systeme fangen das Auto in der Regel mit weniger als 0,5 Meter Querversatz ab und bringen es ohne weitere Korrekturen auf die Ideallinie zurück.“ Auch beim Wechsel von Gas- aufs Bremspedal vor den Kurven der Strecke hat der Technikträger die Nase vorn : Die Reaktionszeit bei Biela liegt durchschnittlich im Bereich von 300 Millisekunden, Bobby benötigt mit 15 Millisekunden nur 1/20 der Zeit.
Ein weiteres Plus für das pilotierte Fahrzeug : Dank eines genauen GPS-Systems sowie 3D-Kameras, die den Kursverlauf parallel filmen und mittels eines Rechenprogramms mit den Bildinformationen des Streckenverlaufs abgleichen, ist der Technikträger präzise unterwegs. „Das Auto ermittelt so den optimalen Einlenkpunkt und den exakten Lenkwinkel“, erklärt Bergmiller. Dadurch trifft es auch punktgenau den richtigen Gang, um aus den Kurven perfekt herauszubeschleunigen.
Obwohl auch Biela die Strecke kennt, bedarf es für ihn mehr Lenkkorrekturen. Zeit, die am Ende jedoch wenig ins Gewicht fallen soll : Denn der erfahrene Biela umrundet die Strecke schneller als sein Gegner. „Das war sehr knapp, ich konnte die Zeit nur wieder reinholen, indem ich auf volles Risiko gegangen bin.“ Nach rechts und links nutzt der Profi die Strecke voll aus, fährt bis auf wenige Zentimeter an die Betonmauer heran. Ein solches Risiko geht Bobby nicht ein. Nach 1,54 Minuten ist Rennlegende Biela im Ziel, der fahrerlose Audi RS 7 Sportback braucht 1,58 Minuten für dieselbe Strecke.
Das Fazit des heutigen Duells für Biela : „Der Audi RS 7 piloted driving concept ist ein echtes Talent. Es ist wirklich beachtlich, dass die Systeme in der Lage sind, das Auto auch am physikalischen Limit abzufangen und zu steuern. Es gibt keine besseren Voraussetzungen für Hockenheim.“
Der Text ist im Geschäftsbericht “We create tomorrow” der AUDI AG erschienen. Auf Scribd können Sie sich den kompletten Geschäftsbericht 2014 herunterladen – oder Sie werfen einen Blick in die digitale Version.

