

Nach seiner Testfahrt steht Ulrich Hackenberg vor den Neuheiten Audi R8 LMS, R8 V10 plus und R8 e-tron
Er steht da wie ein Sprinter im Startblock: breite Schultern, entschlossener Blick und jederzeit bereit für einen kraftvollen Antritt. Der neue R8 V10 plus ist der stärkste und schnellste Serien-Audi aller Zeiten. Und so sieht er auch aus.
Doch mit Äußerlichkeiten halte ich mich heute nicht lange auf. Schließlich will ich wissen: Wie fährt sich der neue R8? Das wird mir ein besonders kompetenter Testfahrer zeigen: Ulrich Hackenberg.
Der Technikchef drückt den Startknopf direkt am Lenkrad. Hinter uns meldet sich der Mittelmotor. Es gibt nur ein Wort für den Sound der zehn Zylinder: brachial. Auf dem Beifahrersitz mache ich mich auf einiges gefasst. Der passionierte Rennfahrer Hackenberg ist dafür bekannt, auf der Rennstrecke alles aus den Autos herauszuholen. Und das ist beim R8 V10 plus eine ganze Menge: 610 PS, 560 Nm, 330 km/h Topspeed. „Hier in Neuburg haben wir ja eine Teststrecke, keine Rennstrecke“, sagt Hackenberg. Das soll mich wohl beruhigen. Tut es aber nicht.
Zunächst lässt es Hackenberg gemächlich angehen. Bei gemütlichen 50 km/h kommen wir ins Plaudern. Worin unterscheidet sich der neue R8 V10 plus von seinem Vorgänger? „Er ist definierter, präziser und fühlt sich kompakter an“, erläutert Hackenberg. „Und die 60 zusätzlichen PS spürt man deutlich.“ Das wird mir schlagartig klar, als Hackenberg das Gaspedal voll durchdrückt. Der unglaubliche Schub presst mich in den Rennsitz. Adrenalin durchströmt meinen ganzen Körper. Bis auf die Magengrube, dort macht sich ein flaues Gefühl breit. Hätte ich bloß auf meine Kollegen gehört und heute nicht gefrühstückt.
Der Technikchef achtet beim Vollgasgeben auf etwas anderes als sein Bauchgefühl. „Man schaut, ob die gewünschten Eigenschaften umgesetzt wurden. Wir wollten, dass das Auto noch dynamischer wird und dabei trotzdem an Komfort gewinnt.“ Der neue R8 V10 plus bringt 1.555 Kilo auf die Waage, 40 Kilo weniger als sein Vorgänger. Auf jedes PS kommen jetzt gerade 2,5 Kilogramm, beim Vorgänger waren es noch 2,9. „Das macht das Auto noch impulsiver“, erklärt Hackenberg. Trotz weniger Gewicht hat sich die Steifigkeit um 40 Prozent erhöht. Davon profitiert unter anderem die Lenkung. „Sie ist noch direkter und gibt ein sehr gutes Feedback von der Straße.“
Wir schießen auf eine Linkskurve zu. Hackenberg steigt voll in die Eisen und lenkt sehr hart ein. Der neu entwickelte quattro-Antrieb des R8 verteilt die Antriebsmomente je nach Fahrsituation bis zu 100 Prozent auf Vorder- oder Hinterachse. „Durch die verbesserte Traktion kann der Fahrer deutlich früher aus der Kurve herausbeschleunigen“, sagt Hackenberg, „und wird quasi an der Vorderachse aus der Kurve gezogen.“ Der Fahrer kann die Momentenverteilung auch beeinflussen. Hackenberg wählt an einem der vier Bediensatelliten am Lenkrad – ebenfalls ein neues Feature – den Fahrmodus dynamic. Dieser ist heckbetonter ausgelegt. „In kleinen Kurvenradien ermöglicht eine heckorientierte Momentenverteilung ein kontrolliertes Übersteuern“, erklärt Hackenberg.
Boxenstopp: Wir wechseln das Auto, rein in den Rennanzug und ab ins Cockpit des R8 LMS. Der Rennwagen, mit dem Audi weltweit im Kundensport startet, besteht zu fast 50 Prozent aus den Teilen des Serien-R8. Doch natürlich ist der LMS anders aufgebaut. „Bei einem Rennwagen sind die Ansprüche, was den Komfort angeht, geringer als bei einem Serienauto“, sagt Ulrich Hackenberg.
Weniger Komfort bedeutet weniger Gewicht. Der LMS bringt lediglich 1.225 Kilo auf die Waage, also 330 weniger als der V10 plus. Dabei leistet er 585 PS, also 25 weniger als das Serienmodell. Trotzdem kommt der LMS auf ein deutlich niedrigeres Leistungsgewicht von 2,1 Kilo pro PS. „Das ist einfach ein richtiges Rennauto“, sagt Hackenberg. „Es hängt noch mehr am Gas und lenkt sich noch direkter.“
Zum Abschluss des R8-Familientreffens drehen wir noch eine Runde im e-tron. Er ist nicht für die Rennstrecke entwickelt, sondern für den Alltag. Dank seiner neuen Batterie mit einer Kapazität von 92 Kilowattstunden kann er rein elektrisch bis zu 450 Kilometer weit fahren. Mit einer Stromladung von Ingolstadt zum Gardasee.
Mit 462 PS und 250 km/h Topspeed gehört er zweifellos zur Gattung der reinrassigen Sportler. Und er hat einen großen Vorteil gegenüber seinen Geschwistern: „Das sehr hohe Drehmoment von Anfang an“, sagt Hackenberg. Der R8 e-tron beschleunigt mit einem maximalen Drehmoment von 920 Newtonmeter, und zwar ab der ersten Umdrehung. Dabei schleicht er sich auf leisen Reifen an. Im Cockpit höre ich nichts von den beiden E-Motoren, nur den Rollwiderstand. Umso mehr überrascht mich der heftige Schub, als Hackenberg richtig Gas gibt: „Der e-tron fährt sich ganz anders, aber auch sehr emotional.“
Mein Fazit nach einigen rasanten Runden in den R8-Modellen: Alle drei machen sehr viel Spaß – auch auf dem Beifahrersitz. Und wenn ich das nächste Mal bei Ulrich Hackenberg einsteige, werde ich vorher ganz sicher nichts essen.