
Langsam schließt sich die tonnenschwere Bleitüre, dann positioniert ein Roboterarm die glänzende Audi A8 Karosserie im Computertomografen. Marco Schäfer und sein Mitarbeiter Tarik Acar von der Audi Qualitätssicherung verfolgen das Geschehen über ihre Monitore. Als die Karosserie millimetergenau ausgerichtet ist, geben sie den Befehl zur Messung. Lautlos setzt sich die Anlage in Bewegung, schießt etliche Röntgenbilder aus verschiedenen Winkeln und errechnet eine 3D-Rekonstruktion des Objekts.
Kurz darauf erscheint das gestochen scharfe Bild auf ihren Bildschirmen. „Schau doch mal, ob in der hinteren Schweißnaht Luftblasen eingeschlossen sind“, sagt Schäfer und zeigt mit dem Finger auf einen Bereich des Bildes. Tarik Acar zieht einen virtuellen Schnitt durch das Metall, zoomt hinein und dreht die ausgewählte Stelle um die eigene Achse. „Alles gut, sieht perfekt aus“, antwortet er. Akribisch untersuchen sie die Karosserie nach feinsten Rissen, mikroskopisch kleinen Unebenheiten und sonstigen Abweichungen, die von außen nicht sichtbar sind.
Aus der klassischen Medizin ist die Röntgentechnologie schon lange nicht mehr wegzudenken. Aber auch bei Audi arbeiten Experten wie Marco Schäfer und Tarik Acar schon seit einigen Jahren mit Computertomografie (CT), um Anomalien an und in Bauteilen festzustellen – und sie entwickeln die Methode ständig weiter, seit 2012 sogar am eigenen Zentrum für Zerstörungsfreies Prüfen (ZfP) in Neckarsulm.
Qualitätssicherung hieß früher: sägen, trennen, auseinanderschrauben, zerbrechen und zerschneiden. Die Konsequenz: Das zu untersuchende Teil war danach reif für den Schrott. Heute dreht sich alles um zerstörungsfreies Prüfen von komplexen Teilen. „Um unsere Autos noch sicherer zu machen, nutzen wir Ultraschall, Thermografie und unseren Computertomografen. Dadurch haben wir das komplette Bauteil im Blick und nicht nur einen kleinen Ausschnitt“, erklärt Koordinator Marco Schäfer nicht ganz ohne Stolz.
Die Messanlage für Computertomographie am Neckarsulmer Standort ist weltweit einzigartig. Im Gegensatz zu Geräten die in der Medizin eingesetzt werden, arbeitet sie mit einer größeren Strahlendosis. Die Bilder sind dadurch deutlich schärfer und erreichen eine bis zu 50 Mal höhere Auflösung. Dem digitalen Auge bleibt nichts verborgen. „Mit unserer Anlage können wir Messungen an Gegenständen von der Größe einer Stecknadel bis hin zu einer kompletten Karosserie durchführen. Das kann sonst keiner“, so Schäfer.
Das hat sich mittlerweile herumgesprochen – und so kommt es immer häufiger vor, dass ganz andere Teile als Türen, B-Säulen, Karosserien oder Airbags durchleuchtet werden. Es lag auch schon mal eine 2.000 Jahre alte Mumie oder Fossilien von Ameisenbären und Schlangen im CT. Für Tarik Acar ein besonderes Erlebnis. „Für mich ist das hier mehr als Arbeit. Das ist mein Hobby. Jeden Tag wartet etwas Neues auf mich“, erklärt der 35-jährige Audi-Mitarbeiter und zeigt die 3D-Rekonstruktion der Mumie. „Im Bauch haben wir sogar Olivenkerne entdeckt. War wohl ein Feinschmecker“, sagt er und lacht.
Koordinator Marco Schäfer hat eine Vision: „Das CT hat riesiges Potenzial. Eines Tages werden wir alle Teile vollkommen zerstörungsfrei prüfen können.“ Mit der Anlage in Neckarsulm sind sie auf dem richtigen Weg.