

Seit 2002 arbeitet Dietmar Voggenreiter bei Audi. Seine erste Station damals: das Controlling.
Die ersten 100 Tage im neuen Amt sind geschafft. Sie starteten in turbulenten Zeiten für den Konzern. Bereuen Sie es schon, die Nachfolge von Luca de Meo angetreten zu haben?
Auf keinen Fall (lacht)! Ich bin zu einer sehr herausfordernden Zeit in den Vorstand berufen worden. Aber die Aufgabe des Vertriebs-Vorstands ist auch in ruhigeren Zeiten extrem spannend. Soviel kann ich jetzt schon sagen: Mit meinem Team macht sie riesig Spaß. Ich persönlich scheue weder hohes Arbeitstempo noch Verantwortung und schwierige Entscheidungen. Ganz im Gegenteil.
Wie gehen Sie an schwierige Entscheidungen heran?
Ich mache mir die Tragweite meiner Entscheidung ständig bewusst. Vor allem, um alle Szenarien und Eventualitäten im Blick zu haben. Und dann gehe ich kalkuliert Risiken ein. Denn ich bin überzeugt: Den Mutigen gehört die Zukunft.
Wo wollen Sie in den kommenden Monaten als Vertriebs- und Marketing-Vorstand mutig sein?
Als progressive Marke werden wir in allen wichtigen Bereichen des Vertriebs und Marketings die nächsten Schritte machen. Einen Fokus legen wir dabei auf die beiden großen Trends Digitalisierung und Elektrifizierung. Zudem werden wir uns in den nächsten Monaten mit Nachdruck darum kümmern, die Dieselthematik verantwortungsvoll abzuarbeiten, neue wichtige Modelle auf den Märkten zu etablieren und auch das Kundenerleben im Autohaus neu zu denken.
Wie konkret wollen Sie das Kundenerlebnis beim Autokauf verändern?
Wir wollen Audi so zeigen, wie es der Kunde noch nie erlebt hat und der Händler nie zeigen konnte. Ich bin überzeugt: Die Digitalisierung bietet hier eine Riesen-Chance, wir können ganz neue Dinge möglich machen. Nur ein Beispiel: Der Kunde soll sehen und erleben können, wie sein Traumauto aussieht – und zwar bevor er es kauft. In jedem Detail, das er seinen Wünschen entsprechen anpassen kann – von der Sitznaht bis zur Felge. Aktuell kann das kein Händler leisten, denn das Produktportfolio mit allen Individualisierungsmöglichkeiten ist einfach riesig. Und es kommen immer mehr Modelle und Ausstattungsvarianten dazu: Bis zum Jahr 2020 erweitern wir auf 60 Modelle. Doch mit digitalen Technologien passen in Zukunft bei Audi alle Konfigurationsvarianten in eine Aktentasche.

Mit der VR-Brille kann der Kunde sein Auto erleben bevor er es kauft.
Das klingt praktisch. Wie genau funktioniert das neue Konzept?
Die Basis ist der digitale Showroom und eine Virtual Reality-Brille, die wir ab diesem Jahr in den Audi Citys im Einsatz haben werden. Setzt der Kunde die Brille im Autohaus auf, kann er sich virtuell sein Traumauto zusammenstellen und live jede Veränderung erleben. Sie wollen sehen, wie ihr künftiges Auto in manhattangrau aussieht? Mit einem Klick auf dem iPad kann der Kundenberater das ändern. Oder doch lieber daytonagrau? Ein Klick und die Farbe wechselt vor dem Auge des Kunden. Und er kann sogar virtuell im Auto Platz nehmen und das Interieur auf sich wirken lassen. Der Kunde setzt sich beispielsweise auf virtuelle, havannabraune Ledersitze, die Dekoreinlagen sind aus Holz Eschenmaser nougat. Am Muster waren das seine Lieblingsfarben, doch jetzt, wo er sie live sieht, gefallen sie ihm nicht mehr so gut. Kein Problem, denn in einer Sekunde ist beides geändert: Die Farbe der Sitze wechselt in cognacbraun und die Dekoreinlagen in Aluminium/Holz Beaufort schwarz. Der Kunde kann sich so lange durch all unsere Ausstattungsvarianten klicken, bis er für sich die perfekte Kombination gefunden hat.
Der klassische Berater im Autohaus gehört also nicht der Vergangenheit an?
Nein, im Gegenteil. Bei Audi ist auch in Zukunft der Händler der zentrale Kontakt zum Kunden. Wir wollen unseren Kunden mehr und bessere Beratung bieten statt weniger. Ein Premiumauto ist eine große Investition – da ist die Fachkompetenz eines Profis einfach unersetzlich. Ich bin davon überzeugt, dass wir für unsere Kunden die Stärken beider Welten verbinden müssen – die der Offline- und die der Online-Welt.
Digitalisierung ist nicht der einzige Trend, der kontinuierlich Businessmodelle umkrempelt und neue gedeihen lässt. Auch der Sharing-Trend hat großes Potenzial Altbewährtes – in diesem Fall das Besitzen eines Autos – in Frage zu stellen: Wird Audi mit Ihnen als Vorstand ins klassische Carsharing einsteigen?
Nein, auf den Zug des klassischen Carsharings wird Audi nicht aufspringen. Unsere Kunden erwarten von einem Audi mehr als nur ein Transportmittel. Das heißt aber nicht, dass Sharing für sie kein Thema ist. Nur ihre Motivation dahinter ist eine andere: Sie teilen nicht aus Kostengründen oder weil sie von A nach B fahren müssen. Sondern aus Spaß am gemeinsamen Erleben mit Freunden oder Nachbarn. Und genau hier docken wir mit unseren maßgeschneiderten Mobilitätskonzepten an. Zum Beispiel in urbanen Ballungszentren wie San Francisco, wo Parkplätze rar sind und das Auto nicht jeden Tag benötigt wird. Hier können die Bewohner eines Häuserkomplexes mit Audi at home aus einer Audi-Flotte auswählen und das Auto stunden- oder auch tageweise buchen. Zusätzlich bieten wir unseren Kunden in San Francisco den Audi on demand-Service: Ein Audi-Concierge bringt hier das gewünschte Audi-Modell zum Kunden, der es ein paar Stunden oder mehrere Tage lang genießt.
Und was bieten Sie für Kunden, die nicht in San Francisco wohnen?
Wir haben eine ganze Reihe an Mobilitätskonzepten in verschiedenen Metropolen an den Start gebracht. In Berlin haben wir Audi select: Hier können Sie bis zu drei unterschiedliche Audi-Modelle im Jahr fahren. Im Sommer den Avant, im Winter den SUV und zum Frühling das Cabrio. Zudem setzen wir mit Pilothändlern in Deutschland auf Audi shared fleet: ein flexibles Carsharing für den Fuhrpark von Unternehmen.
Weshalb bieten Sie so viele verschiedene Dienste an?
Uns ist klar: Nicht jedes Konzept passt für jeden Kundenbedarf. Deshalb entwickeln wir Ideen, die auf Mobilitätsgewohnheiten und lokale Bedingungen Rücksicht nehmen. Unsere Angebote sind daher unterschiedlich. Gleichzeitig haben sie aber auch einiges gemeinsam: All unsere Dienste verbindet, dass sie ein Maximum an Flexibilität bieten. Und dass sie zu 100 Prozent premium sind.

Die ehemalige Wirkungsstätte von Dietmar Voggenreiter: Sieben Jahre lang war er das Audi-Gesicht in China.
Für die Trends Sharing und Digitalisierung scheinen sie bestens gerüstet. Wie steht es um die Elektrifizierung?
Bei der Elektrifizierung haben wir den Fuß auf dem rechten Pedal. Im vergangenen Jahr haben wir den weltweit ersten Plug-in-Hybrid mit einem V6-TDI-Motor und quattro-Antrieb vorgestellt: den Audi Q7 e-tron quattro. Ich habe das Glück, das SUV bereits jetzt fahren zu können. Und das Fahren im Elektro-Modus überzeugt mich jeden Tag aufs Neue. Das ist einfach ein ganz besonderes Fahrgefühl, das auch unsere Kunden begeistern wird. Da bin ich mir sicher. Deshalb ist es mir sehr wichtig, vor allem auch unsere Händler optimal auf die Elektrifizierung vorzubereiten.
Sie waren sieben Jahre lang das Audi-Gesicht in China. Unter Ihnen stiegen die Absatzzahlen im Reich der Mitte um ein Vielfaches. Welchen Markt wollen Sie als nächstes aufpolieren?
Aufpolieren haben wir im Fall von Audi gar nicht nötig. Und ich bin mir bewusst, dass die gesamte Entwicklung in China auf absehbare Zeit einzigartig bleiben dürfte. Insgesamt blicken wir für die Vier Ringe sehr optimistisch nach vorne: Die Gesamtmärkte in Europa haben wieder Fahrt aufgenommen, China ist trotz nachlassendem Wirtschaftswachstum weiter vielversprechend und in den USA verkauften wir im vergangenen Jahr früher als erwartet erstmals mehr als 200.000 Autos in einem Jahr. Daran werden wir in den nächsten Monaten anknüpfen.
Der Beitrag „Die Zukunft gehört den Mutigen“ erschien zuerst auf Audi Blog.