
Herr Yogeshwar, Sie waren gerade mit unserem Technikträger zum pilotierten Fahren auf der Autobahn unterwegs. Ihre Meinung?
Ich bin begeistert von der Komplexität, die hier verarbeitet wird. Im Gegensatz zum Autopiloten im Flugzeug muss das System auf der Straße mit ganz anderen Herausforderungen umgehen können. Dazu zählen dichter Verkehr und unerwartete Handlungen der übrigen Verkehrsteilnehmer.
Haben Sie sich wohl gefühlt?
Dank meines Berufs gehöre ich zu denjenigen Menschen, die viel mit Technik zu tun haben und daher wahrscheinlich auch eher der Technik vertrauen. Aber dieser Moment, als ich das Lenkrad losgelassen habe, das war schon ungewöhnlich. Ich habe mir vorgestellt, wie viele Signale jetzt gerade gesammelt, gebündelt und verarbeitet werden müssen. Als Physiker bleibt man natürlich skeptisch und fragt sich, inwiefern sich zum Beispiel Lichtreflexionen oder Schattenwürfe auf die Berechnung der optimalen Fahrweise auswirken. Das alles ist nicht gerade trivial.
Hört sich nicht gerade an, als hätten Sie eine entspannte Fahrt gehabt…
(lacht) … doch, die hatte ich auf jeden Fall. Ich konnte mich wunderbar mit meinen Beifahrern unterhalten. Aber es ist klar, dass es beim pilotierten Fahren eine Gewöhnungsphase geben muss. Vergleichen lässt es sich damit, wenn Kinder Fahrradfahren lernen. Da laufen die Eltern auch erst einmal hinterher. Beim Auto ist es ähnlich, du willst die Hände am Lenkrad haben. Wir müssen lernen, loszulassen.
Ist das pilotierte Fahren der Megatrend der Zukunft?
Definitiv. Wir werden in den nächsten Jahren einen Paradigmenwechsel erleben. Das Auto, so wie wir es kennen, steht vor einer fundamentalen Veränderung. Eigentlich nutzen wir das Auto seit über 100 Jahren sehr irrational, denn wir stehen mit unseren Autos im Stau und kommen oft nur langsam voran. Diese Zeit geht uns verloren. Intelligente Algorithmen können uns davon befreien. Wenn ich zum Beispiel in Zukunft pilotiert zu einem Termin fahre, dann kann ich unterwegs arbeiten. Am Ziel angekommen, sucht sich das Auto dann selbstständig einen Parkplatz. Das gilt übrigens nicht nur für den klassischen Personentransport, sondern auch für den Güterverkehr.

Gruß vom Fahrersitz: Rund um Hannover erlebte Ranga Yogeshwar das pilotierte Fahren mit dem Technikträger der Vier Ringe
Also werden wir Mobilität neu definieren?
Davon gehe ich aus. Anstelle von Pferdestärken und Hubraum wird ausgetüftelte Elektronik, intelligente Vernetzung und innovative Informationsverarbeitung an erster Stelle stehen. Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass wir vor einem Kulturwandel stehen. Dabei müssen wir wissen, dass die großen Player der einen Kultur nicht unbedingt die Gewinner der neuen Kultur sein werden. Das ist die große Herausforderung an die Autobauer – sie müssen das Auto neu denken und dürfen dabei wichtige Fragen zum Datenschutz nicht außen vor lassen.
Wie sieht Ihre Vision der Mobilität der Zukunft aus?
Wenn ich in die Zeit meiner Enkel eintauche, dann stelle ich mir Städte vor, in denen öffentliche Verkehrsmittel nach wie vor eine wichtige Rolle spielen. Gleichzeitig wird eine ganze Flotte automatisierter oder pilotierter Fahrzeuge unterwegs sein. Ich bin auch davon überzeugt, dass in Zukunft die Nutzung des Autos wichtiger sein wird als der eigentliche Besitz…
…wie meinen Sie das?
Nehmen wir eine Megacity wie Shanghai. Hier ist der individuelle Besitz eines Autos heute schon problematisch, da es einfach zu wenig Platz gibt. Hier sehe ich eine große Chance für pilotierte Systeme. Sie könnten für Entzerrung im Berufsverkehr sorgen und von mehreren Personen geteilt werden.
Ist unsere Gesellschaft überhaupt bereit, die Kontrolle abzugeben?
Wir leben doch schon längst in einer Zeit, in der vor allem junge Leute massiv mit Technik konfrontiert sind. Ich erlebe eine Kultur, die sehr offen für neues ist. Viel interessanter ist doch die Frage wo es hinführt, wenn wir die Kontrolle stellenweise an das Fahrzeug abgeben. Ich denke, dass es zu einer Rationalisierung des Fahrens kommen wird – mit weniger Unfällen und weniger Emissionen. Dazu müssen es die Automobilhersteller allerdings schaffen, den technischen Fortschritt für alle Käufer verfügbar zu machen – und nicht nur als teure Features in der Oberklasse anzubieten.
Auf der IdeenExpo in Hannover begeistert Ranga Yogeshwar das Publikum mit seinen Open-Air-Shows. Der Physiker geht der Frage nach, wie ein möglichst effizienter und sicherer Transport von Personen und Gütern möglich ist – und welche Rolle dabei das pilotierte Fahren spielen könnte.


